Bericht
Kyle Balda: Ein Leben für den Animationsfilm
Kyle Balda, der Co-Regisseur von Animationsfilmen wie „Minions“ und „Minions – Auf der Suche nach dem Mini-Boss“ ist trotz seiner weltweit erfolgreichen Filme ein Unbekannter auf dem roten Teppich geblieben. Über den Animationsregisseur, dessen Filme über drei Milliarden US-Dollar einspielten, wird hier berichtet.
M. Rösner | 24. Februar 2023

Im Animationsfilm „Minions – Auf der Suche nach dem Mini-Boss“ wird der elfjährige Gru am Karrieretag von seiner Lehrerin gefragt, was er mal werden möchte. „Naja“, sagt er mit einem selbstbewussten Grinsen, „also ich will später ein Superschurke werden“. Seine Klassenkameraden reagieren auf diese Antwort mit Hohngelächter, doch dass tangiert Gru überhaupt nicht. Nach dem Unterricht warten vor der Schule schon Grus kleine Minigehilfen Kevin, Stuart und Bob. Mit ihnen düst Gru auf seinem getunten Fahrrad in ein neues Abenteuer, um seinem Berufswunsch Superschurke näher zu kommen. Seine kleinen gelben, loyalen Helfer unterstützen ihn dabei mit viel Chaos und komischen Ideen. Als Mentor begegnet Gru schließlich der wilde Knöchelknacker, ein alter, berühmt berüchtigter Schurke, der ihm lehrt, ein Superschurke zu werden.
So klar wie im neuesten Abenteuer der Minions Grus Berufswunsch ist, war Kyle Balda, dem Co-Regisseur des Films, in seiner Jugend klar, dass er einmal sein Geld als Illustrator verdienen würde. Schon damals zeichnete der in Tucson, Arizona (USA) geborene Balda leidenschaftlich gerne und erstellte Daumenkinos. Insbesondere der Disneyklassiker „101 Dalmatiner“ inspirierte ihn zu immer neuen Zeichnungen. Dass es Menschen gibt, die ihr Geld mit animierten Zeichnungen verdienten, das konnte sich der 1971 geborenen Balda zu jener Zeit noch nicht vorstellen. Für ihn waren Zeichentrickfilme einfach magisch. Erst ein Freund seiner Familie, Dan Juep, der bei Disney als Animator für den Film „Arielle, die Meerjungfrau“ (1989) arbeitete, brachte ihn darauf, Animationen zu erstellen. Er gab ihm den Tipp „zu zeichnen und besonders das Zeichnen animierter Posen zu lernen“, wie Balda im Interview mit Independent erzählte.

Disneys Cal Art prägte ihn
Balda beherzigte diesen Ratschlag und besuchte Anfang 1990 das California Institute of the Arts (Cal Arts), eine Hochschule in Los Angeles, die von Walt Disney gegründet wurde, um Nachwuchszeichner für Animationsfilme auszubilden. Nach zwei Jahren brach er sein Studium an der Hochschule ab, da ihm ein Job an einem Animationsfilm angeboten wurde. Cal Arts prägte jedoch seinen weiteren Berufsweg als Regisseur nachhaltig, wie er der Onlinezeitung Independent erzählte: „Cal Arts hat das weiter geformt. Ich wollte am Anfang nie wirklich Regisseur werden. Am Anfang war ich immer nur glücklich, Animationen machen zu können und an Filmen mitzuwirken, von denen ich so ein großer Fan war.“
Er erhielt einen Job als Grafikanimator bei „Die Maske“ (1994) und wurde Chefanimator von „Jumanji“ (1995). Für Pixar war Balda unter anderem Chefanimateur bei „Toy Story 2“ (1999). Schließlich begann er im Jahr 2010 für die in Paris und Santa Monica (Kalifornien, USA) ansässige Produktionsfirma Illumination Entertainment zu arbeiten. Er übernahm den Job des Head of Layout für „Ich – Einfach unverbesserlich“ (2010). Während dieser Zeit begann er in seiner Freizeit für mehrere Kurzfilme Regie zu führen und Vorträge an Animationsschulen in Europa und Asien zu halten.
Der drei Milliarden-Dollar Co-Regisseur
Baldas Erfolgsgeschichte als Animationsregisseur begann, als er im Jahr 2012 für „Der Lorax“ Co-Regie mit Chris Renaud führte. Der Film hatte ein Budget von 70 Millionen US-Dollar und spielte weltweit knapp 350 Millionen US-Dollar ein. Dieser beachtliche Ersterfolg führte dazu, dass Balda zusammen mit Pierre Coffin die Co-Regie für den Film „Minions“ (2015) übernahm. „Minions“ spielte die unglaubliche Summe von 1,1 Milliarden US-Dollar ein. Sein nächster Film „Ich – Einfach unverbesserlich 3“ (2017), für den er wieder mit Pierre Coffin die Co-Regie übernahm, spielte eine weitere Milliarde US-Dollar in die Kassen von Illumination Entertainment und den Universal Studios.
Es folgte „Minions – Auf der Suche nach dem Mini-Boss“ (der Film wurde im Jahr 2019 produziert, lief jedoch wegen der Coronapandemie erst 2022 in den Kinos an), für den er zusammen mit Brad Ableson (Die Simpsons) und Jonathan del Val (Pets, Pets 2) die Co-Regie übernahm. Auch dieser Animationsfilm scheint wieder ein Milliardenerfolg zu werden (Aktuell betragen die Einnahmen weltweit über 950 US-Dollar). Nebenbei erhielt Kyle Balda für „Minions“ und „Ich einfach unverbesserlich 3“ jeweils eine British Academy Film Awards-Nominierung.
Dass Kyle Balda trotz seines Erfolgs als Animationsregisseur so unbekannt ist, liegt daran, dass Animationsfilme unglaublich arbeitsteilig und sehr viele Menschen in Teamarbeit an der Herstellung eines solchen Filmes beteiligt sind. Das ist auch der Grund, warum an Animationsfilmen häufig mehrere Regisseure zusammenarbeiten. Für „Minions – Auf der Suche nach dem Mini-Boss“ wurde Balda, wie schon erwähnt, noch von seinen beiden Co-Regisseuren Ableson und del Val unterstützt. „Es ist eine Menge auf einmal zu jonglieren“, erklärte Balda gegenüber Backstage. Er selbst konzentrierte sich während der Dreharbeiten an dem Animationsfilm unter anderem auf die Bereiche Kinematografie, Inszenierung und Layout.
Die Minions übernahmen die Macht
Als Animator entwickelt man Figuren und haucht ihnen durch Bewegungsabläufe am Computer Leben ein. Für diesen Prozess fühlt und denkt sich ein Animator in die Figur hinein. Für den Film „Minions“ (2015) entwickelte Balda zusammen mit dem Co-Regisseur und Animator Coffin die drei Hauptcharaktere Kevin, Stuart und Bob. Der Film ist der erste eigenständige Minionsfilm aus dem Franchise und die drei Minions wurden zu unverwechselbaren Charakteren. Kevin bekam die Persönlichkeit des großen Bruders, Stuart wurde der etwas faule, vor sich hin brabbelnde Minion und Bob der süße, unschuldige Typ.
Da beide Regisseure große Fans von Charlie Chaplin (Goldrausch, Lichter der Großstadt) und Peter Sellers (Inspektor Clouseau, Der rosarote Panther) sind, wurden die Einflüsse dieser großen Schauspieler in den Film „Minions“ eingefügt. Dazu meinte Balda im Interview mit Independent: „Wenn Sie sich einen Peter Sellers-Film ansehen, können Sie […] verfolgen, was er denkt und fühlt, wenn Sie den Ton leiser stellen. Das bedeutet, dass Sie sich in seine Figur einfühlen können.“ Diese schauspielerische Leistung übertrugen sie auf die Minions, wodurch die kleinen Minigehilfen, trotz ihres Sprachkauderwelsch, weltweit von den Zuschauern verstanden werden. In dem Interview gab Balda außerdem zu, dass die Minions während des Arbeitsprozesses durchaus die Macht übernahmen. Er meinte, dass sie in gewisser Weise lebendig sind, „denn sie sagen dir, wo sie hinwollen. Wenn man also eine Geschichte schreibt und Dinge ausprobiert, die nicht funktionieren, spürt man fast, dass die Figur sich ein wenig widersetzt“.
Über die größte Herausforderung im aktuellen Film „Minions – Auf der Suche nach dem Mini-Boss“, der zum zweiten Teil der Minions-Reihe gehört und ein Spin-off der „Ich – Einfach unverbesserlich“ Filmreihe ist, berichtete Kyle Balda im YouTube-Video „Les Minions 2: rencontre avec le réalisateur Kyle Balda“. Darin erzählte er, dass es nicht einfach war, neue Situationen und Orte zu schaffen an denen sich die Hauptfiguren des erfolgreichen Franchise weiter entwickeln können. Denn mittlerweile sind Gru und seine Minions global unglaublich beliebt.

Mentor aus Leidenschaft
Kyle Balda ist neben seiner Arbeit an Filmproduktionen leidenschaftlich gerne als Mentor tätig, wie Animationxpress schon vor Jahren schrieb. Um zu unterrichten und sein Wissen zu teilen, gibt er weltweit Kurse für 3D-Animation an Filmhochschulen. Im Jahr 2021 unterrichtete Balda eine virtuelle Masterclass an der Malaysia-Hochschule „The One Academy“.
Im Interview mit der Campuszeitung der Malaysia-Hochschule verriet Balda, welche Eigenschaften einen erfolgreichen Animator ausmachen. Dazu zählt, offen für neue Erfahrungen zu sein, zu „lernen und nie aufhören, neugierig auf alles zu sein“, was um einen herum passiert. Wie er weiter dazu ausführte, machte er sich neben seiner Tätigkeit als Animator auch vertraut mit Layout und Inszenierung von Filmen. Diese neuen Kenntnisse halfen ihm, während seiner ersten Regiearbeit, den Regieprozess reibungsloser ablaufen zu lassen. Außerdem, fuhr er fort, sollte ein erfolgreicher Animator genau wissen, was ihn selbst, aber auch die Zuschauer inspiriert, berührt und unterhält. Er fügte hinzu: „Das hilft auch bei der Entscheidung, welche Art von Filmen und Geschichten man selbst erstellen möchte.“
Auf zu neuen Wegen
Nach über einem Jahrzehnt, welches Balda in Paris verbrachte und dort für die Produktionsfirma Illumination Entertainment tätig war, lebt er jetzt mit seiner Frau Janet Change Balda wieder an der Küste von Oregon (USA). Über seine berufliche Zukunft sagte er gegenüber Backstage: „Heutzutage träume ich davon, in Bereiche vorzudringen, die ich noch nicht so intensiv erkunden konnte“ und merkt an, dass er eines Tages gerne an Science-Fiction- und Fantasy-Projekten arbeiten möchte. Den nächsten Film aus dem Minion-Franchise wird er sich „im Publikum ansehen“.
„Minions – Auf der Suche nach dem Mini Boss“ ist jetzt auf DVD und Blu-ray erhältlich.