Portrait

Jordan Peele: Vom Comedian zum Horror-Regisseur

Jordan Peele schaffte es mit seinen beiden erfolgreichen Filmen „Get Out“ und „Wir“ das Horrorfilm-Genre neu zu beleben. Der ehemalige Comedian, der am Set des Science-Fiction-Horrorfilm „Nope“ auf dem Regiestuhl Platz nahm, wird hier vorgestellt.

M. Rösner | 14. September 2022

Jordan Peele während den Dreharbeiten zu „Get Out“ (2017). (Foto: EclairPlay)

Mit einer ruhigen, introvertierten Art und doch jederzeit zu Späßen aufgelegt, beantwortet Jordan Peele die Interviewfragen zu seinem aktuellen Film „Nope“ im YouTube-Video von Today. Der 43-Jährige sitzt im Video zusammen mit dem Journalisten Craig Melvin mitten in „Jupiter’s Claim“, der neusten Attraktion der Universal Studios Hollywood. Es handelt sich hierbei um einen Nachbau des Westernthemenparks „Jupiter’s Claim“ aus Peeles Film „Nope“. Es ist das erste Mal in der Geschichte des berühmten Themenparks, dass das Filmset eines afroamerikanischen Regisseurs nachgebaut wurde. Auf die Eingangsfrage im Video, worum es in „Nope“ geht, antwortet Peele, dass es in dem Film über Spektakel geht sowie um die Sucht der Menschen nach Spektakel. Er fügt hinzu, dass Menschen Spektakel nutzen, um sich „von der Wahrheit abzulenken. Wir haben eine sehr dunkle Beziehung zu ihr.“ Als mitten im Interview an Peele ein Universal Studio Tourbus vorbeifährt, ruft der Journalist Craig Melvin laut den vorbeifahrenden Parkbesuchern zu, dass hier Jordan Peele sitzt. Daraufhin mimt Peele, noch immer ganz Comedian, spontan eine Peele-Animatronik-Puppenfigur nach.

Peeles klassisches UFO-Science-Fiction-Epos

Peele belebte das Popcorn-Horrorfilm-Genre neu, indem er in seiner ersten Regiearbeit „Get Out“ (2017), wofür er auch das Oscar-prämierte Drehbuch schrieb, als erzählendes Element verdeckten Rassismus einbrachte. Sein Erstlingswerk, das er für weniger als 5 Millionen US-Dollar produzierte, spielte weltweit mehr als 250 Millionen US-Dollar ein und machte Peele zu einem der gefragtesten Filmemacher der Welt. Auch sein zwei Jahre später produzierter Horror-Film „Wir“ (2019) glänzte mit einer originellen und kommerziell erfolgreichen Geschichte.

Mit „Nope“ (dt. Nein) setzte Peele, wie er während der Promotion zu seinem Film sagte, seine eigene Interpretation eines klassischen UFO-Science-Fiction-Epos um. In dem Film sind der Pferdetrainer OJ Haywood (gespielt von Daniel Kaluuya) und seine jüngere Schwester Emerald (gespielt von Keke Palmer) Eigentümer einer Pferderanch, die schon lange im Familienbesitz ist. Auf der Ranch, die in einer einsamen Bergschlucht von Kalifornien liegt, werden Filmpferde für Hollywoodproduktionen dressiert. Nach mehreren mysteriösen Vorfällen versuchen die Geschwister Beweise dafür zu finden, was genau am Himmel die ruhige Schlucht heimsucht, auf der sich ihre Familienranch befindet. Wie das GQ-Magazin mutmaßt, werden Fans von Jordan Peeles Horrorfilmen wie schon bei seinen letzten beiden Werken wieder genauer hinsehen, um verborgene Bedeutungen und Themen zu analysieren. Gegenüber dem Magazin sagte Peele grinsend: „Ich weiß nicht, warum die Leute mich nicht einfach einen Film machen lassen können.“

Szenenbild aus „Nope“: Der Pferdetrainer OJ Haywood (Daniel Kaluuya) auf seiner Ranch. Im Hintergrund steht seine Schwester Emerald (Keke Palmer). (Foto: EclairPlay)

„Fernsehen als zweites Elternteil“

Jordan Peele wurde 1979 geboren und wuchs in bescheidenen Verhältnissen im noblen New Yorker Stadtteil Upper West Side auf. Seine hellhäutige Mutter, eine Büroangestellte, zog ihn allein groß. Zu seinem afroamerikanischen Vater hatte er ab seinem siebten Lebensjahr keinen Kontakt mehr. Während seiner Kindheit verbrachte Peele viele Stunden allein vor dem Fernseher. Im Interview mit dem Magazin The New Yorker sagte er: „Alles, was ich jetzt tue, ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass ich das Fernsehen als zweites Elternteil hatte.“ Nach seinem High School Abschluss studierte Peele Improvisationskomik am Sarah Lawrence College. Kurz darauf begann er für Boom Chicago zu arbeiten, eine Improvisationstruppe mit Sitz in Amsterdam, wo er nach eigenen Angaben „drei fantastische, dauerhaft bekiffte Jahre verbrachte“.

Nach 12 Jahren als Comedian auf der Bühne und im TV entwickelte Peele mit seinem Freund, dem Comedian Keegan-Michael Key, die erfolgreiche Comedy Central Serie „Key und Peele“. Nach dem Serienende 2015 und einem gemeinsamen Kinofilm zog es den Horror-Fan Peele endgültig hinter die Kamera. Zu seinem Karrierewechsel sagte Peele gegenüber dem Rolling Stone Magazin, dass er als langjähriger Schauspieler immer dieses Gefühl hatte, von „Erfolgen und Misserfolgen geprägt zu sein“ und aus dieser „verrückten Achterbahn“ aussteigen wollte. Seit 2017 ist Peele erfolgreich als Regisseur und Drehbuchautor tätig. Verheiratet ist er mit der Komikerin Chelsea Peretti (bekannt aus der Serie Brooklyn Nine-Nine) und soll seit dem Tag ihres Kennenlernens das Kiffen aufgegeben haben. Zusammen leben sie in Los Angeles und haben einen gemeinsamen kleinen Sohn.

Außerirdische, Monster und Roboter haben keine Rasse

Peele sagte im Interview zu Today, dass seine Sicht auf die Welt dadurch geprägt wurde, dass er ein gemischtrassiger Mann ist und dass seine „Rasse“ seine gesamte künstlerische Arbeit beeinflusst hat. Für ihn bestand immer ein Teil seiner Arbeit darin, zu versuchen, die „Schublade“, in die die USA farbige Menschen steckt, in Einklang zu bringen und aus ihr auszubrechen.

Mit diesem Schubladendenken wurde Peele schon in jungen Jahren konfrontiert. Wie er dem Magazin The New Yorker erzählte, fühlte er sich zu Hause von seiner Mutter immer geliebt. Erste Probleme mit seiner Hautfarbe und der eigenen Identität bekam er in der Schule und musste sich von da an selbst die Frage stellen, auf wessen kultureller Seite er stand. Damals begann seine Vorliebe für Filme über Außerirdische, Monster und Roboter, alles Wesen, die dazu neigen, überhaupt keine Rasse zu haben.

Die Suche nach der eigenen Identität führte dazu, dass Peele als Comedian und vielfältiger Stimmenimitator ein perfektes Ohr für „verbale Ticks“ entwickelte. Denn trotz Kindheit in New York entstand damals in ihm die Angst, die falsche Stimme zu haben, was in seinem Fall bedeutete, wie seine „weiße“ Mutter zu sprechen. Während seiner Zeit als erfolgreicher Comedian in „Key und Peele“ sagte er im Magazin The New Yorker: „Es kann kein Zufall sein, dass ich mich für eine Karriere entschieden habe, in der mein ganzes Ziel darin besteht, die Art und Weise, wie ich spreche, zu verändern und diese unterschiedlichen Charaktere zu erleben. Vielleicht tue ich es, um meiner Seele zu beweisen, dass die Art und Weise, wie jemand spricht, nichts damit zu tun hat, wer er ist.“

Szene aus „Get Out“ (2017): Noch scheint alles harmonisch zu sein. Rechts der Schauspieler Daniel Kaluuya. (Foto: EclairPlay)

Zwischen Kindheitsserien und stoned sein liegen gute Horrorgeschichten

Während seiner Zeit als erfolgreicher Comedian begann Peele über einen Karrierewechsel nachzudenken. Damals schrieb er laut dem Rolling Stone Magazin völlig „high“, den ersten Drehbuchentwurf von „Get Out“. Peele zweifelte so sehr an sich, dass er insgesamt acht Jahre brauchte und mehr als 40 Drehbuchentwürfe erstellte, um sein Drehbuch, das ihm nicht nur einen Oscar einbrachte, sondern auch die neue Karriere als Regisseur ermöglichte, fertigzustellen.

Als sich Peele nach dem überwältigenden Erfolg seines Erstlingswerks dransetzte, ein Drehbuch für seinen zweiten Film zu schreiben, plagten ihn wieder Ängste. Diesmal war es die Sorge, einem Film gerecht werden zu müssen, der so perfekt funktionierte wie „Get Out“. Um Inspiration zu finden, sah er sich die Zweitfilme seiner Lieblingsregisseure an, darunter M. Night Shyamalans „The Sixth Sense“ (1999) und Quentin Tarantinos „Pulp Fiction“ (1994). Dabei musste er feststellen, dass er in seinen „Stoner-Tagen“ genügend gute Ideen entwickeln hatte, um noch lange als Horror-Regisseur erfolgreich zu sein. Auch die Zeit als Kind vor dem Fernseher machte sich beim zweiten Drehbuch bezahlbar. Seine Idee zu „Wir“ entstammte aus der Folge „Mirror Image“ (1960) aus der Mystery- und Science-Fiction-Serie „The Twilight Zone“. Peele, der erst mit dem Schreiben eines Drehbuchs anfängt, wenn er den Film in seinem Kopf sieht, brauchte für sein zweites Drehbuch, trotz anfänglicher Sorgen nur noch ein Jahr.

Peele während den Dreharbeiten zu „Wir“ (2019) zwischen Elisabeth Moss (links) und Lupita Nyong’o. (Foto: EclairPlay)

Vom beliebten Comedian zum erfolgreichen Horror-Regisseur

Mit der Comedy Central Serie „Key und Peele“ (2012-2015) wurde Peele nicht nur als Comedian berühmt, die Serie gewann auch mehrere Primetime Emmy Awards. In der Serie nehmen Peele und sein Comedypartner Key eine bunte Vielfalt von Charakteren an. Darunter alte weiße Sportreporter, junge arabische Fitnessstudio-Poser oder rivalisierende albanische und mazedonische Gastronomen. Nach dem Serienende drehte Peele zusammen mit Key die Komödie „Keanu“ (2016). In dem Film sind sie Cousins, die versuchen, ein Kätzchen von einem Drogenboss zurückzuerobern. Ein Jahr später gelang Peele als Regisseur und Drehbuchautor des Horrorfilms „Get Out“ (2017) der endgültige Durchbruch in Hollywood. Für sein Drehbuch erhielt er als erster Afroamerikaner einen Oscar. In dem Film trifft ein junger schwarzer Fotograf (gespielt von Daniel Kaluuya) zum ersten Mal die Eltern seiner weißen Freundin und erlebt Rassismus, der schrecklicher ist, als er es sich vorstellen kann. Zwei Jahre später folgte der Horrorfilm „Wir“ (2019). In dem Film geht Peele nicht mehr direkt auf das Thema Rassismus ein. Für ihn ist es jedoch wichtig, dunkelhäutige Schauspieler als Protagonisten in seinen Filmen zu besetzen, da sie im Horror-Genre unterrepräsentiert sind. Im Mittelpunkt des Films „Wir“ steht eine Mutter (gespielt von Lupita Nyong`o) und ihre Familie, die von ihren eigenen Doppelgängern terrorisiert werden. Der Film erhielt unter anderem den Bram Stoker Award. Im Juli 2022 kam der Science-Fiction-Horrorfilm „Nope“ (2022) in die Kinos. Der Film erhielt bereits einen Award der Hollywood Critics Association für „Am meisten erwarteter Film“.

Ein Denkmal in den Universal Studios Hollywood

Peele hat es nicht nur geschafft, das sein Filmset von „Nope“ im Freizeitpark der Universal Studios Hollywood nachgebaut wurde, der Regisseur und Drehbuchautor stellt mit seiner Produktionsfirma Monkeypaw Productions, die Peele 2012 gründete, um seine Comedyserie „Key und Peele“ zu produzieren, auch Produktionen für Universal Studio her. Zusammen mit dem Filmstudiogiganten produzierte er unter anderem „Nope“.

Während Peele im YouTube-Video von Today mit dem Journalisten Craig Melvin durch die neu geschaffene Attraktion „Jupiters Claim“ schlendert, meint der Journalist, dass es „eine große Sache“ sei, weil Jordan Peele hier ein Denkmal gesetzt wurde. Der leicht ergraute Peele antwortet nicht, sondern legt ganz Comedian einen Finger an seinen Hals, blickt auf seine Armbanduhr und schaut, ob sein Herz gerade hyperventiliert. Melvin versucht kurze Zeit später von Peele, der ein wenig wortkarg über das farbenfrohe Denkmal ist, doch noch eine Meinung von ihm zu bekommen: „Wenn Ihnen jemand vor 20 Jahren gesagt hätte, dass einer der Filme von Jordan Peele einen festen Platz hier auf dem Gelände des Universal haben würde, was hätten Sie gesagt?“ Peele antwortet mit seiner trockenen und doch leicht verschmitzten Art: „Ich hätte gesagt, gut, dann hätte mein Plan funktioniert.“