Historische Persönlichkeit

Charles Perrault und seine filmreifen Märchen

Der Schriftsteller Charles Perrault verhalf dem sprechenden Kater in seine Stiefel und Cinderella mit ihrer Kürbiskutsche zum Happy End. Seine über 300 Jahre alten Märchen dienen auch heute noch vielen Filmen als Inspiration, weswegen er noch immer als Drehbuchautor genannt wird.

M. Rösner | 15.02.2023

Charles Perrault etwa um 1690 (Foto: via Wikimedia Commons, unbekannter Maler – Latrobe University, Australia/gemeinfrei)

Die Märchen Dornröschen, Aschenputtel, Rotkäppchen oder der gestiefelte Kater sind allgemein bekannt. Dass die ursprüngliche Version dieser Märchen nicht aus der Sammlung der Gebrüder Grimm hervorging, sondern zuerst aus der Feder des Franzosen Charles Perrault dagegen weniger. Der französische Schriftsteller hatte bereits 1697, über hundert Jahre vor der Erstveröffentlichung der Grimm’schen Märchen einige aus dem Volksmund überlieferte Geschichten umgeschrieben, indem er ihnen ein glückliches Ende bescherte und sie kindgerechter machte. Der französische Schriftsteller hatte bereits 1697, über hundert Jahre vor der Erstveröffentlichung der Grimm’schen Märchen einige aus dem Volksmund überlieferte

Geschichten umgeschrieben, indem er ihnen ein glückliches Ende bescherte und sie kindgerechter machte. Bis dahin waren volkstümliche Märchen grausame Geschichten und endeten immer tragisch. Sie wurden meistens von der einfachen Landbevölkerung erzählt und dienten neben der Unterhaltung auch dazu, Kinder drastisch zu erziehen und zu ermahnen. So serviert in einer uralten Rotkäppchen-Version der böse Wolf dem vertrauensseligen Rotkäppchen zum Abendessen einen Teller mit dem Fleisch der Großmutter, bevor er es auffrisst.

In Charles Perraults Märchen dagegen siegte erstmals das Gute gegen das Böse, womit er nicht nur das „moderne Märchen“ geschaffen hatte, sondern bis heute auch in unzähligen Filmen als Drehbuchautor genannt wird. Bevor Perrault zum legendären Märchen-Schriftsteller wurde und postum zum Drehbuchautor, war er lange Zeit im Dienste seiner Majestät Louis XIV. tätig.

Das prachtvolle Schloss Versailles, an dessen Planung Charles Perrault beteiligt war. (Foto: Matthias Reding/Unsplash)

Minister am Hofe des Sonnenkönigs

Charles Perrault wurde 1628 in Paris geboren und verstarb in der Stadt an der Seine 75 Jahre später. Dazwischen lag ein erfolgreiches und arbeitsames Leben. Der Spross einer wohlhabenden Juristen- und Beamten-Familie studierte Jura und wurde zunächst Anwalt. Sein Bruder Pierre Perrault, der oberster Steuereintreiber der Stadt Paris war, verschaffte ihm 1653 eine Stelle in der Finanzverwaltung und führte ihn am Hofe ein. Dort verstand er es, die Gunst des Hofes und der Pariser Salons zu gewinnen. Unter anderem, indem er sie amüsant mit seinen selbst verfassten literarischen Texten unterhielt – wodurch es ihm gelang, gesellschaftlich aufzusteigen. So trat er zehn Jahre später als Sekretär in die Dienste des Finanzministers Jean-Claude Colbert, einen der mächtigsten Männer Frankreichs. Innerhalb dieser Stellung beriet er den „Sonnenkönig“ Louis XIV. zu Finanz- und Kunstgeschäften so erfolgreich, dass er 1665 von ihm zum Generalkontrolleur für königliche Bauwerke ernannt wurde, was der Position eines Ministerpostens entsprach. In dieser Position war er beteiligt an der Beratung und Planung des Versailler Schlosses und seiner prächtigen Gartenanlagen sowie an den Umbauten des Louvre. 1671 wurde er durch Jean-Claude Colbert Mitglied der Académie française, deren Ziel bis heute die „Vereinheitlichung und Pflege der französischen Sprache“ ist. Durch den Tod des Finanzministers Colbert, dessen Gunst ihm seine Karriere am Hofe des Sonnenkönigs ermöglicht hatte, wurde er mit 56 Jahren abrupt aus all seinen Ämtern entlassen.

Charles Perrault brachte als Minister seine Ideen in den Pariser Louvre ein. (Foto: matt_86/Pixabay)

Amüsante Märchen mit Moral

Nachdem er seinen Posten verloren hatte und fünf Jahre zuvor seine junge Ehefrau Marie Guichon, beschloss Perrault sich der Erziehung seiner vier Kinder zu widmen und seinen Lebensunterhalt mit dem Schreiben zu verdienen.

Zu jener Zeit waren gerade in den Pariser Literatur-Salons Märchen „en vogue“. Daher begann Perrault uralte Volksmärchen aus Erzählungen und von anderen Autoren, insbesondere die von den Italienern Giovanni Francesco Straparola (1480 – 1558) und Giambattista Basile (1575 – 1632) umzuschreiben, indem er sie dem Geschmack des damaligen literarischen Publikums anpasste. Vor allem fügte er ihnen ein Happy End und amüsante Moralanmerkungen hinzu (in den Märchen der Gebrüder Grimm wurden diese weggelassen).

Da seine Märchen sehr gut ankamen, veröffentlichte Perrault 1697 einen Sammelband mit dem Titel „Contes de ma Mère l’Oye“ (dt. „Geschichten meiner Mutter Gans“). Darin waren erstmals seine gesamten elf Märchen enthalten, für die er weltweit Berühmtheit erlangen sollte. Zu diesen Märchen gehören „Griseldis“, „Eselshaut“ sowie „Die törichten Wünsche“. Zudem „Die schlafende Schöne im Walde“ (unter den Gebrüdern Grimm „Dornröschen“ genannt), „Rotkäppchen“, „Blaubart“, „Der gestiefelte Kater“, „Die Feen“, „Aschenputtel oder Der kleine gläserne Schuh“, „Riquet mit dem Schopf“ und „Der kleine Däumling“.

Disneys „Cinderella Castle“ wie hier im Magic Kingdom, Orlando wäre ohne Perraults Märchen Aschenputtel kaum denkbar. Disney verfilmte „Cinderella“ 1950 erfolgreich und erstellte nach diesen Film sein Märchenschloss. (Foto: David Guerrero/Pexels)

Kein Happy End für Rotkäppchen

Charles Perrault wollte mit seinen Märchen unterhalten und gleichzeitig belehren, insbesondere Kinder und junge Leute. Daher schrieb Perrault, der zu seinen Lebzeiten sehr gläubig war, seinen netten und tugendhaften Märchenfiguren ein glückliches Ende. Nicht jedoch dem Rotkäppchen. So werden Rotkäppchen und ihre Großmutter in Perraults Märchen-Version vom bösen Wolf verschlungen. Ganz ohne Happy End. Mit diesem Ende wollte er bewusst Mädchen und junge Damen vor Männern warnen, die sie „jagen“, wenn sie durch den Wald oder die Straßen von Paris gehen.

Seine anderen Märchen schrieb er amüsanter und alltagsnah. So erzählt er, dass die bösen Schwestern von Aschenputtel für den großen Ball von den „besten Schönheitspflästerchen kauften“ und „mehr als zwölf Schürbänder zerrissen“, beim Versuch, eine möglichst schmale Taille zu erhalten. Außerdem begutachten sie sich unentwegt vor dem Spiegel.

Amüsant ging Perrault auch auf Dornröschen ein. So schreibt er, dass die Schöne nach hundert Jahren zwar noch jung aussieht, aber ihre Kleider komplett aus der Mode sind. In seiner Moral gibt er den Tipp, dass er es für ein wenig übertrieben hält, hundert Jahre auf einen Ehemann zu warten.

Dem sprechenden Kater gibt Perrault endlich Stiefel (in der Geschichte von Giambattista Basile ist er noch barfuß unterwegs), damit er anständig Netzwerken kann, um seinem Herrn einen armen Müllers-Sohn zum gesellschaftlichen Aufstieg zu verhelfen. Durch seine einschmeichelnden Geschenke an den König und seine cleveren Lügen über den angeblichen Reichtum seines Herren erhält dieser die Tochter des Königs. Wodurch aus dem gestiefelten Kater ein angesehener „Herr“ wird der „nur noch zum Vergnügen auf die Mäusejagd geht“.

(Die Märchenzitationen sind aus: Charles Perrault, Sämtliche Märchen. Reclam, 1986)

Cinderella-Statue nach dem gleichnamigen Film aus dem Jahr 1950 im Magic Kingdom, Orlando. (Foto: Brian McGowan/ Unsplash)

Erfolgreiche Filme nach Perraults Märchen

Perraults Aschenputtel-Variante diente wesentlich Walt Disneys Zeichentrickfilm „Cinderella“ (1950) als Vorlage und führte dazu, dass die Kürbis-Kutsche weltberühmt wurde.

In dem Märchen, (dass sich teilweise von dem Grimm’schen unterscheidet), lebt Aschenputtel zusammen mit ihrer bösen Stiefmutter und ihren beiden garstigen Stiefschwestern unter einem Dach. Sie muss im Haus alle anfallenden Arbeiten verrichten. Als der Prinz zum Ball einlädt, um sich eine Gemahlin zu suchen, wird sie dorthin nicht von ihren Schwestern mitgenommen – obwohl alle jungen Frauen im Land eingeladen sind. Zum Glück erscheint ihre Patin, die gleichzeitig eine gute Fee ist und dafür sorgt das Aschenputtel mit einer prächtigen Kutsche, die zuvor ein Kürbis war zum Ball des Prinzen fährt. Aus Mäusen zaubert die Fee noch schnell prächtige Schimmel und aus Eidechsen werden Diener im Livree. Das Happy End beinhaltet bei Perrault nicht nur, dass Aschenputtel den Prinzen heiratet, sondern auch, dass sie ihren Stiefschwestern verzeiht und sie mit zwei „großen“ Herren am Hofe verheiratet.

Basierend auf diesem Märchen folgten noch etliche Cinderella-Filme durch die Charles Perrault auf der Imdb-Filmdatenbank als Drehbuchautor geführt wird. Darunter sind in jüngster Zeit Disneys Real-Verfilmung „Cinderella“ (2015) sowie von Columbia Pictures „Cinderella“ (2021).

Szene aus Disneys „Maleficent – Mächte der Finsternis“ mit Angelina Jolie als angsteinflößende Fee. (Foto: Disney)

Auch sein Dornröschen ist als Filmvorlage beliebt, zuletzt in Disneys „Maleficent – Mächte der Finsternis“ (2019). Hierbei handelt es sich um eine Fortsetzung von der Bösen-Fee-Geschichte aus dem Jahr 2014. In dem ersten Teil „Maleficent – Die dunkle Fee“ wird die rachsüchtige Fee Maleficent (gespielt von Angelina Jolie) getrieben, eine kleine Prinzessin zu verfluchen. Bis sie erkennt, dass das Kind (Dornröschen bzw. Aurora, gespielt von Elle Fanning) die einzige Person ist, die den Frieden in ihrem unruhigen Land wiederherstellen kann. Die Geschichte im zweiten Teil baut auf dieser auf und geht auf die komplexe Beziehung zwischen Maleficent und Aurora ein. Zudem ist das Land wieder neuen magischen Unruhen ausgesetzt.

„Maleficent – Mächte der Finsternis“ ist auf Disney+ sowie DVD und Blu-ray erhältlich.

Szene aus dem Universal-Film „Der gestiefelte Kater: Der letzte Wunsch“. (Foto: Universal Pictures)

Wer sich die neueste Animationsversion des gestiefelten Katers von Universal Pictures und DreamWorks in „Der gestiefelte Kater: Der letzte Wunsch“ (2022) ansieht, der in dem Film noch immer gewieft und gekleidet ist wie zu Perraults Zeiten, kann verstehen, dass Charles Perraults mit seinen witzigen und charmanten Märchen nach über 300 Jahren noch immer nicht „gestorben“ ist.

„Der gestiefelte Kater: Der letzte Wunsch“ läuft aktuell im Kino und ist auf DVD und Blu-ray vorbestellbar.